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Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen

Wertstoff-Recycling für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung

9,3% der weltweiten Ressourcen werden im Gesundheitssektor eingesetzt [Q1]. Höchste Zeit eine umweltfreundlichere und vor allem ressourcenunabhängige Gesundheitsversorgung zu gestalten: In diesem Artikel betrachten wir, wie aus Krankenhausabfällen Wertströme generiert und mittels Recycling der Produktion neuer Medizinprodukte und Pharmaverpackungen zugeführt werden können. Kurzgesagt: Wie Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen gelingt.

Die Grundlage: Kreislaufwirtschaft

Die Idee einer Kreislaufwirtschaft basiert auf dem Prinzip, dass Ressourcen kontinuierlich wiederverwertet, also recycelt oder aufgearbeitet werden [Q2].

Ziel ist es, die ökologischen Auswirkungen zu minimieren und gleichzeitig eine effiziente ressourcenunabhängige Versorgung zu gewährleisten. Das Etablieren einer Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen birgt Herausforderungen: Erstens müssen rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Diese sind entscheidend für den sicheren Umgang mit medizinischen Abfällen sowie für die Sicherheit von Produkten und Verpackungen aus wiederverwerteten Materialien. Zweitens erfordert es ein Umdenken und eine umfassende Zusammenarbeit [Q3,Q4] zwischen Gesundheitseinrichtungen, Herstellern und Politik.

In diesem Blogartikel betrachten wir, welche Arten von Abfällen es in Krankenhäuser gibt, ihre Eignung zur Wiederverwendung und welche Recyclingverfahren dafür in Frage kommen.

Im Detail: Medizinischer Müll und Recycling

1. Kategorisierung von Krankenhausabfällen gemäß LAGA M18

Krankenhäuser erzeugen verschiedene Arten von Abfällen, die gemäß der Abfallhierarchie der LAGA M18 [Q5] kategorisiert werden können. Bei ordentlicher Trennung und Nachbehandlung eignen sich einige der Abfallschlüssel zur Generierung neuer Wertströme. In diesem Kapitel stellen wir einige der Kategorien vor. Keine Lust zu lesen? Im nachfolgenden Video erläutert. Dr.-Ing. Julian Lotz die Kategorisierung im Detail.

#Kurzgesagt

LAGA M18

Die LAGA M18 ist eine Vollzugshilfe (sie gibt also Hinweise) zur Entsorgung von Abfällen aus allen Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Die Abkürzung steht für „Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall Mittleiung 18″.

Die Abfallkategorien im Detail:

Betrachten wir zustächst die Kategorie Verpackungen (AVV 15 01). Dazu gehören zum Beispiel Sterilbarriereverpackungen. Diese bestehen meist aus Kunststoff und landen oft direkt nach dem öffnen im Müll. Sie haben in der Regel keinen Patientenkontakt und sind damit in der Entsorgung unbedenklich. Für diese Art von Krankenhausmüll ist Recycling problemlos möglich. Alles was es dafür braucht, ist ein Krankenhausabfall-Management, welches diesen Abfall getrennt von (potenziell) kontaminierten Abfällen sammelt und dem Entsorger zuführt.

Bei der nächsten Kategorie handelt es sich um nicht-kritische Einwegprodukte aus Kunststoffen (nicht AS 18 01 01/ -04). Das könnten zum Beispiel ungenutzte Einweghandschuhe sein. Für diese gelten dieselben Vorgaben, wie bei den Verpackungen. Man kann sie also grundsätzlich als Wertstoff sammeln und mittels Recycling in den Kreislauf zurückführen.

Spannender wird es bei Kunststoffabfällen, die potenziell kontaminiert sind (AS 18 01 03). Zum Beispiel bei Einwegprodukten aus dem OP. Diese können mit Blut oder Sekreten in Kontakt kommen und damit infektiöses Material beinhalten. Hierfür gibt es natürlich strengere Vorgaben. Aktuell, wird dieser Müll praktisch immer verbrannt. Dabei gibt es durchaus die Möglichkeit hier ein Wertstrom zu generieren. Während die sogenannten Sharps (AS 18 01 01), wie Skalpelle, Spritzen usw. tatsächlich verbrannt werden müssen, könnten Einweg-Kunststoffprodukte, wie etwa eine Single-Use-Pinzette recycelt werden. Hier gibt es aktuell auch einen theoretisch vorgezeichneten Weg: Dafür muss der Kunststoffmüll gereinigt und dekontaminiert werden. Die Dekontamination muss nach Richtlinien des RKI erfolgen und abgenommen werden. Zudem muss die für die Müllentsorgung verantwortliche Behörde ihre Zustimmung erteilen.

Potenziell kontaminierte Sharps, wie zum Beispiel Skalpelle oder Spritzen müssen verbrannt werden. Hier besteht keine Recycling Option.

2. Das passende Recyclingverfahren für medizinische Abfälle

Es gibt verschiedene Recyclingverfahren, die es ermöglichen, Kunststoffabfälle aus Krankenhäusern in die Produktion neuer Medizinprodukte, Pharmaverpackungen oder Labortechnik zurückzuführen. Es gibt mechanisches Recycling und Chemisches Recycling. Bei letzterem gilt die Entscheidung zwischen einem Monomer-Recycling und einem rohstofflichen Recycling, der Pyrolyse. Betrachten wir diese genauer:

#Kurzgesagt

Kann man medizinische Abfälle recyceln?

Kurzgesagt: Ja. Bestimmte Abfallkategorien lassen sich mittels  mechanischem oder chemischem Recycling wieder zurückführen. Letzteres ist geeignet, wenn man wieder eine Medical Grade Qualität erreichen möchte.

Die Recyclingverfahren im Detail:

Infografik: Mechanisches Recycling

1. Mechanisches Recycling

Der erste Ansatz ist das mechanische Recycling, bei dem nicht kontaminierte Kunststoffabfälle zerkleinert, eventuell regranuliert, und dann zu neuen Produkten verarbeitet werden. Dieser Prozess ist sehr energieeffizient und führt zu einem sehr kurzen Stoffkreislauf – das ist sehr gut. Allerdings nimmt die Qualität des Kunststoffs mit jedem Recyclingzyklus etwas ab, und es können Verunreinigungen oder für Medizin- oder Lebensmittelkontakt nicht geeignete Additive und Zuschlagstoffe enthalten sein. Durch Vermischung verschiedener Typen ändern sich die Eigenschaften zudem mehr oder weniger kontrolliert. Daneben ist eine medizinkonforme Dokumentation der Werkstoffherkunft nahezu unmöglich.

2. Chemisches Recycling

Eine Alternative bietet das chemische Recycling. Dabei wird der Kunststoff in seine Bruchstücke zerlegt, und zu neuem Kunststoff zusammengesetzt, der die gleichen Eigenschaften wie frisch hergestellter Kunststoff aufweist (virgine Qualität). Das bedeutet, dass hier wieder hochwertige Medical Grade (Bio-)Kunststoffe entstehen können. Werkstoffe also, die sich für den Einsatz im hochregulierten medizinischen Bereich eignen. Die Wahl des geeigneten Recyclingverfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Kunststofftyp und den Qualitätsanforderungen. Im Bereich des chemischen Recyclings gibt es das Monomer-Recycling und die Pyrolyse, auch Feedstock-Recycling oder rohstoffliches Recycling genannt:

2.1. Monomer-Recycling

Monomer-Recycling ist ein chemisches Recyclingverfahren, bei dem der Kunststoff von Enzymen oder Katalysatoren in seine Bausteine zerlegt wird. Diese Bausteine werden dann aufgereinigt, also von Additiven, Farbstoffen und ähnlichem befreit. Danach werden sie wieder zu Kunststoff zusammengesetzt, der die gleichen Eigenschaften wie frisch hergestellter Kunststoff aufweist. Dies ermöglicht hochwertiges Recycling auf derselben Qualitätsstufe und mit gleicher Sicherheit, was besonders für das Gesundheitswesen unabdingbar ist. Zusammen mit der immer noch hohen Energie- und Ressourceneffizienz ist dieses Verfahren unsere erste Wahl für Medical Grade Biokunststoffe. Das funktioniert allerdings aktuell nur mit Polyestern, wie unseren MedEco-Compounds, PET und ähnlichen Kunststoffen.

Infografik: Chemisches Recycling mittels Monomer Recycling - BIOVOX' Wahl
Infografik: Chemisches Recycling mittels Pyrolyse

2.2. Rohstoffliches Recycling / Pyrolyse

Die Pyrolyse ist ein anderes chemisches Recyclingverfahren, das bei unsortierten Kunststoffabfällen oder für z.B. Polyolefine wie PP und PE angewendet werden kann. Dabei wird der Kunststoff unter hohem Druck und Temperatur unkontrolliert gespalten. Es gibt hier aber einige Nachteile: Die Ausbeute ist niedrig (<50%) und es entstehen viele Nebenprodukte, die teils nur noch als Brennstoff geeignet oder gar Sondermüll sind. Zudem fließt dieser Wertstrom ganz weit vorne im Kreislauf ein – Pyrolyseöl ist ein Erdöl-Ersatz und daraus müssen erstmal wieder Monomere und dann Polymere hergestellt werden. Das ist ein aufwändigerer Prozess, der auch mehr Energie benötigt als Monomer-Recycling und damit auch einen höheren CO2-Ausstoß mit sich bringt.

#Kurzgesagt

Bis auf sogenannte Sharps, könnten alle Kunststoffabfälle dem Kreislauf wieder zugeführt werden. Per chemischem Recycling sogar in Medical Grade Qualität, um z.B. Sterilbarriereverpackungen herzustellen.

Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen: Kategorisierung von Krankenhausabfällen und Recycling von medizinischem Müll

3. Werkstoffauswahl – Das richtige Material für Ihr Medizinprodukt

Die Wahl des richtigen Werkstoffs hängt von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend ist von vorne hinein zu berücksichtigen, welche Recyclingverfahren angewendet werden sollen, und welche Recyclingqualität angestrebt wird. Mechanisches Recycling eignet sich für einfache Verpackungsprodukte, während für medizinisch kritische Anwendungen ein chemisches Recycling benötigt wird. Für letzteres sollten Werkstoffe gewählt werden, die sich besonders effizient chemisch recyceln lassen. Ein Beispiel hierfür sind unsere MedEco Biokunststoffe.

Ein weiterer Faktor ist das angestrebte Sterilisationsverfahren. Strahlenbasierte Sterilisationsverfahren, z.B. Gammastrahlen, Röntgensterilisation oder E-Beam-Sterilisation, etwa können Kunststoffe beeinträchtigen und deren mechanische Eigenschaften verändern, insbesondere die Bruchdehnung oder Festigkeit verringern, oder durch Quervernetzung der Polymerketten die Aufschmelzbarkeit und damit die Recyclingfähigkeit einschränken.

Zum Download: Das BIOVOX-Kompendium BE GREEN.

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Kurz gesagt: Kreislaufwirtschaft im Gesundheitssektor

BIOVOX Megaphon

Eine Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen ist nicht nur möglich, sondern auch ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft. Durch effizientes Kunststoffrecycling im Gesundheitswesen können wir aktiv zur Schonung von Ressourcen und zur Reduktion der Umweltbelastung beitragen. Damit legen wir den Grundstein für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung, die auch in Zukunft funktionieren kann. 

Um das zu erreichen, ist eine Zusammenarbeit von Politik, Kliniken, Entsorgern, Materialherstellern und Produzenten von Medizinprodukten, Arzneimitteln und Labortechnik gefragt: Obwohl grundsätzlich viele Kunststoffabfälle in einem Wertstoffkreislauf gehalten werden könnten, fehlt es derzeit noch an Flexibilität bei den Behörden. Auch bei vielen Krankenhäusern gibt es noch Potenzial, denn nur wenn der Müll ordentlich getrennt ist, können Wertströme entstehen. Und die Inverkehrbringer von Produkten und Verpackungen haben noch viele nicht recyclingfähige Kunststoffteile im Markt.

Eine gezielte Trennung und Wiederverwertung von Kunststoffabfällen ist aber ein ganz zentraler Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft.

Quellen

Sie wollen sich weiter in die Thematik vertiefen?
Für die Erstellung dieses Blogartikels, habe ich verschiedene Quellen herangezogen. Diese sind im Text an der jeweiligen Stelle markiert [Q…], und hier zu finden:
[Q1] The Circularity Gap Report 2020
[Q2] Europäisches Parlament – Kreislaufwirtschaft
[Q3] Zühlke Insights – Kreislaufwirtschaft
[Q4] Medizin und Technik
[Q5] LAGA M18

Julian Lotz
Autor: Julian Lotz, Co-Gründer von BIOVOX

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